Mit Uwe am Annapurna.
Warum begeben sich Leute auf die Reise, nur um einen 3000 Km langen Wanderweg zurückzulegen? Tag um Tag mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken und auf viele Annehmlichkeiten verzichtend. Ich denke von jedem wird man eine andere Antwort erhalten.
Klar, bei den meisten wird es die Lust am Wandern sein, wie auch bei mir. Aber woher kommt diese Lust und was genau macht sie im einzelnen aus? Hier ein Versuch, dies für mich zu beantworten.
Ich selbst habe das Wandern eigentlich erst recht spät für mich entdeckt, wenn man mal von einer 2wöchigen Trekkingtour im Himalaya, während meiner frühen 20iger absieht. Die Tour zum Annapurna fand übrigens auf meiner ersten größeren Reise statt, zu der ich quasi „gezwungen“ wurde. Uwe hatte schon mehrfach versucht mich zu überreden, ihn in den Semesterferien auf einer Reise zu begleiten. Und jedes Mal ist mir eine andere Ausrede eingefallen; kein Geld, keine Zeit. Während er also in der Weltgeschichte unterwegs war, saß ich zu Hause und beneidete ihn insgeheim. Doch zum Glück blieb er hartnäckig und überredete mich irgendwann dazu, mir ein Flugticket für Nepal zu kaufen.
Und da ich das Ticket nun schon mal hatte, blieb mir auch nichts anderes übrig, als ihn für 5 Wochen nach Nepal zu begleiten. Ich weiß noch, dass ich vor der Reise verdammt viel Schiss hatte und mich fragte, was mach ich da eigentlich. Aber im Endeffekt war es das Beste was mir passieren konnte, habe ich doch erkannt, dass es eigentlich keinen Grund gibt sich zu fürchten und man mit unendlich vielen Erlebnissen und Eindrücken belohnt wird. Und der 2wöchige Abstecher zum Annapurna hat besonders starke und positive Eindrücke hinterlassen. Zwar waren wir schlecht ausgerüstet und hatten keinerlei Erfahrung im Hochgebirge, aber dafür waren jung und voller Übermut.
Motorradtour in der Weite Schwedens.
Obwohl von den Menschen und der Landschaft tief beeindruckt, sollte dies für lange Zeit meine letzte Fernreise gewesen sein. In den nächsten Jahren war ich auch sehr viel in der Natur unterwegs, dann jedoch meistens mit dem Motorrad oder meinem Kajak. Und vor allem haben es mir die skandinavischen Länder angetan. Die weite, kaum besiedelte Landschaft im Norden von Europa, hat mich zu vielen Campingtouren animiert.
Aber ich schweife ab. Der Wander-Virus hat mich in Österreich erwischt. Ab Mitte 2006 habe ich für 1,5 Jahre in Wien gearbeitet und dort die Berge für mich (wieder)entdeckt. Von Wien aus war es ja immer nur eine vergleichsweise kurze Fahrt mit dem Auto, bis man mitten in den Alpen steckte. Von daher bin ich oft schon am Freitag nach der Arbeit los und am Sonntag Abend erst wieder zurück. Und zwischendrin wurde gewandert!
Doch was ist es genau, was für mich den Reiz des Wanderns ausmacht? Zuerst einmal bin ich in der Natur unterwegs und das Wandern ist für mich genau die richtige Geschwindigkeit, um mich auf eben diese zu konzentrieren. Ich werde nicht großartig abgelenkt, kann jederzeit stehen bleiben und mich umschauen, oder einfach nur eine Pause machen. Brauche keine Verkehrsregeln beachten, oder aufpassen, dass ich irgendwo gegenfahre. Ich nehme jede Menge Gerüche war, höre und spüre den Wind. Überall um mich herum gibt es Geräusche, ob von Tieren, Flüssen oder was auch immer. Ich erlebe die Natur sozusagen hautnah.
Beim Wandern habe ich jede Menge Zeit zum nachdenken, welche ich mir im Berufsalltag viel zu selten nehme. Und auf langen Wanderungen wird dies um so intensiever. Nach gut einer Woche sind die meisten Alltagsprobleme in den Hintergrund getreten und irgendwann betrachte ich sie schon gar nicht mehr als Probleme. Klar, man sollte gut mit sich auskommen, sonst kann das viele Nachdenken bestimmt auch nach hinten losgehen.
Und lange Wanderungen haben noch einen Vorteil: ab einer gewissen Zeitspanne kann man nicht mehr alles voraus planen. Ist man für ein Wochenende in den Alpen unterwegs, weiß man meisten schon, auf welchen Hütten man übernachtet und mit welchem Wetter man zu rechnen hat. Obwohl man gerade das Wetter nicht unterschätzen sollte, doch alles in Allem recht überschaubar. Aber über 3 Tage hinaus wird es schon schwieriger. Zu viele Faktoren spielen für mich mit, als dass ich mich an einen Plan halten möchte, der über eine Woche hinaus geht.
Was allerdings nicht heißen soll, dass ich vollkommen planlos nach Neuseeland fliege. Aber außer den ersten beiden Tagen, welche ich in Christchurch verbringe um noch einiges zu erledigen und Silvester zu feiern, besteht die Planung nur aus groben Eckpunkten. Wo geht die Route lang? Wo kann ich Verpflegung nachkaufen, oder wo muss ich per Post was hinschicken, weil es auf 300 Km keinen Laden in der Nähe gibt? Wo sind potentielle Gefahrenquellen, vor allem breite Flüsse, und wie können diese notfalls umgangen werden. Auch habe ich eine ungefähre Zeitplanung, aber diese ist ehr in der Einheit Wochen denn in Tagen.
Klettertour in den Dolomiten.
Das Gute ist, ich habe genügend Zeit. Grob geplant sind 6 Monate, doch ist mein Visum für maximal 9 Monate gültig und der Rückflug kann jederzeit umgebucht werden. Sollte mich also etwas aufhalten oder es mir irgendwo besonders gut gefallen, bleibe ich dort einfach ein wenig länger. Und wenn ich die Zeit nicht wieder reinhole, was soll’s? Da ich diesmal auch ein Zelt dabei habe, bin ich nicht mal darauf angewiesen, eine bestimmte Hütte zu erreichen. Schon auf meiner letzten größeren Wanderung in Norwegen habe ich dies durchaus zu schätzen gewußt. Mehrmals konnte ich so die Wanderung einfach unterbrechen und habe bei unglaublich schönen Plätzen übernachtet.
Oft wurde ich auch schon gefragt, warum ich denn fast immer alleine verreise? Dies war ursprünglich nie so geplant, sondern einfach dem Umstand geschuldet, dass ich niemanden kenne, der ähnliche Vorstellungen vom Reisen hat und gleichzeitig auch noch die ausreichende Zeit. Und dann sollte man sich auch sehr gut untereinander verstehen, denn immerhin verbringt man sehr viel Zeit miteinander. Mittlerweile habe ich das allein Reisen aber auch zu schätzen gelernt, immerhin ist man so nur für sich alleine verantwortlich und muss auch keine Kompromisse eingehen.
Ich hoffe ihr denkt jetzt nicht, dass ich der totale Eingenbrödler bin. Immerhin lernt man auf langen Reisen immer wieder jede Menge Leute kennen und reist auch mal ein Stück gemeinsam. Außerdem hat sich für Ende Januar schon Uta, eine langjährige Freundin, angekündigt und wenn alles klappt, werden wir für min. 2 Wochen gemeinsam unterwegs sein.